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Ein chinesisches Krisenteam im deutschen Corona-Hotspot
2020-06-11 16:36

Wuhan im Februar. Das Coronavirus wütet in der 11-Millionen-Metropole, die Menschen haben Angst vor etwas, das sie nicht kennen, das sie nicht spüren, das sie nicht sehen können. Um diese unbekannte Epidemie so schnell wie möglich einzudämmen, hat die chinesische Regierung die Stadt abgeriegelt, 40.000 Ärzte und medizinische Hilfskräfte werden aus ganz China eilig herbeigerufen. Zwei Notfall-Krankenhäuser werden in Rekordzeit hochgezogen, in Stadien und Hallen entstehen 16 weitere Behelfskliniken. Die Bevölkerung von Wuhan kämpft gegen einen mächtigen, unsichtbaren und skrupellosen Feind. Was sie besonders benötigen, sind medizinische Hilfsgüter.

Der Kampf ihrer Landsleute berührt viele Chinesen, die in Übersee leben. Im fernen Deutschland sammeln vier Vereinigungen von ehemaligen chinesischen Studenten, die ,,Alumni Association of Southeast University in Germany e.V." mit Sitz in Aachen, die „Association of Chinese Scientists and Students in Münster e.V.", die Alumnis der „Beijing Foreign Studies University" und die ehemailigen Studenten der „Association of Shandong University in Germany e.V." sofort medizinische Hilfsgüter und spenden sie ihren Landesleuten in China.

Als dann im März die Epidemie nach Deutschland schwappt und das Robert-Koch-Institut am 6. März 534 Fälle von Infektionen verkündet, wird das Notfall-Team der Ex-Studenten erneut hellhörig. 281 Corona-Infizierte zählt zu diesem Zeitpunkt das dicht besiedelte Nordrhein-Westfalen - allein im Kreis Heinsberg mit nur 250.000 Einwohnern sind 200 Menschen erkrankt. Heinsberg wird zum Nukleus der Epidemie in Deutschland. Die britische „Times" wird Heinsberg später als „Germany's Wuhan" bezeichnen. Das Team beschließt, in dem deutschen Corona-Hotspot zu helfen. Aber wer macht's? Liu Yang (36) und Shen Zhengning (33) von den „Beijing Foreign Studies University"-Alumnis erklären sich bereit, die Aktion zu organisieren. Sie rufen das Gesundheitsamt des Landkreises Heinsberg an und fragen nach den konkreten Bedürfnissen. Heinsberg braucht alles. Und zwar so schnell wie möglich.

Schon am nächsten Morgen setzten sich die beiden Ex-Studenten bei leichtem Regen mit einem Minivan von Frankfurt in Richtung Heinsberg in Bewegung. 200 Kilometer mit 25 Kisten Schutzbekleidung, vor allem Kittel, die bei der Sammlung für Wuhan übriggeblieben waren. „Als ich das Auto mit den medizinischen Gütern nach Heinsberg fuhr, hatte ich auch ein wenig Angst, denn wir wissen ja, wie gefährlich das Virus sein kann", sagt der 33-jährige Shen Zhengning, der für eine chinesische Firma in Frankfurt arbeitet und „gern weiter in Deutschland bleiben" möchte. Dass er dennoch fuhr, begründet er mit dem guten und richtigen Gefühl, anderen in der Not helfen zu können, egal ob Chinesen, Deutschen oder Bürgern anderer Länder. „Wir leben doch alle zusammen auf dieser Erde und haben keine andere Heimat. Da sollte es selbstverständlich sein, dass man einander hilft."

Als die beiden freiwilligen Lieferanten, gerüstet mit Atemschutzmaske, Handschuhen und Kitteln, mit der dringend benötigten Schutzbekleidung in Heinsberg eintreffen, werden sie vom stellvertretenden Leiter des Gesundheitsamtes in der Kreisverwaltung von Heinsberg, Dr. Ralf Ortmanns, und seinem Kollegen Peter Veckes sehr herzlich empfangen. Die Situation vor Ort war nicht dramatisch, doch die Hilfsgüter wurden dringend benötigt. Dass ausgerechnet Chinesen, die selbst unter der Pandemie stark zu leiden hatten, nun den deutschen Mitbürgern halfen, rührte die beiden Deutschen sehr. Insbesondere Herr Dr. Ortmann, der früher in China gearbeitet hatte, konnte sich sehr gut vorstellen, wie schwierig die Lage in Wuhan gewesen sein muss mit der hohen Bevölkerungsdichte in eng bewohnten Hochhäusern. „Einige Hochhäuser werden ja sogar zentral belüftet, sodass die Isolierung der gesamten Stadt großen Sinn macht, um die Verbreitung des Virus zu verhindern", sagte er. In Deutschland sei das etwas anders: Die Bevölkerungsdichte sei deutlich niedriger und die Isolierung einfacher, wenn die Menschen einfach zu Hause blieben und ohne äußere Einflüsse eine Zeitlang lebten.

Die Lieferung der beiden chinesischen Ex-Studenten sollte eine lange und intensive Zusammenarbeit zwischen Heinsberg und chinesischen Behörden besiegeln. Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (CDU) hatte schon am 25. Februar einen Krisenstab gebildet. Das war der Tag, an dem sich ein deutsches Ehepaar mit dem gefährlichen neuen Virus infiziert hatte. Seither kämpfte er um mehr Unterstützung für seinen in besonderem Maße betroffenen Landkreis. Nachdem sich die Epidemie später in Heinsberg weiter ausgebreitet hatte, schrieb Herr Pusch am 23. März einen Offenen Brief an die chinesische Regierung und bat um Lieferung von Schutzmaterial. China reagierte sofort und sagte Hilfe zu. Die drei Krankenhäuser im Kreisgebiet Heinsberg benötigen nach eigenen Angaben insgesamt 4000 Schutzkittel und 1200 Mundschutzmasken – täglich.

Aus China kamen prompt 15.000 Mund-Nasen-Masken. Seither sind viele kleinere und größere Lieferungen aus China in Heinsberg eingetroffen, teils von der Regierung, teils von privaten Spendern. Landrat Pusch ist dafür dankbar. Wenn das Coronavirus niedergerungen sein wird, möchte er gern eine Städtepartnerschaft mit der 11-Millionen-Metropole Wuhan eingehen. Denn schon der deutsche Dichter Novalis (1772 - 1801) wusste: „Toleranz und Freundschaft ist oft alles, und bei weitem das Wichtigste, was wir einander geben können."

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